Hg. von Christa Hämmerle u. Li Gerhalter
unter der Mitarbeit von Ingrid Brommer und Christine Karner
Apokalyptische Jahre. Die Tagebücher der Therese Lindenberg 1938 bis 1946
(L'HOMME Archiv, Band 2)
Böhlau: Köln/Weimar/Wien 2010, 389 S., EUR 37.90 [D] / EUR 39.00 [A], ISBN: 978-3-412-20158-6.
Das Buch ist nicht mehr im Buchhandel erhältlich,
Restexemplare können bei der L'Homme-Redaktion (lhomme.geschichte [at] univie.ac.at)
oder bei der Sammlung Frauennachlässe (sammlung.frauennachlaesse [at] univie.ac.at) bestellt werden.
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Buchpräsentation am 9. November 2010, 18 Uhr, im Jüdischen Museum Wien
Mehr Informationen zur Buchpräsentation... (Salon 21)
Buchpräsentation am 7. Dezember 2010, 16 Uhr, an der Universität Salzburg (HS 380)
Im Frühjahr 1975 bearbeitet Therese Lindenberg (1892–1980) ihre während des Holocaust in Wien verfassten Tagebücher. So entsteht zusätzlich eine gekürzte und neu kompilierte Tagebuchfassung, der sie den Titel "Die apokalyptischen Jahre. 1938–1946" gibt. Darin wird auch entschlüsselt, was in den originalen Tagebuchaufzeichnungen einst nur angedeutet blieb.
Denn die als "arisch" geltende Therese Lindenberg war mit einem "jüdischen" Mann verheiratet, lebte gemäß den nationalsozialistischen Rassegesetzen in einer "nicht privilegierten Mischehe". Dies bedeutete für beide Entrechtung und Enteignung, Terror und Angst vor der Deportation des Mannes. Während die einzige Tochter nach Manila geflüchtet war, überlebte das Paar letztlich im "Mischehenghetto" im 2. Wiener Gemeindebezirk – unter prekären Bedingungen.
Die von tiefer Religiosität und Naturverbundenheit geprägten Tagebücher jener Zeit werden in dieser Edition ebenso veröffentlicht wie deren im Alter erstellte, stärker dokumentierende Bearbeitung. Für die Leserinnen und Leser entsteht das einzigartige und berührende Zeugnis einer Frau, die sich in jenen Schreckensjahren des nationalsozialistischen Regimes dem Druck zur Scheidung nicht beugte und so ihren Ehemann rettete. Eine Einleitung zu ihrer Biographie und zu den Kontexten und Funktionen ihres Tagebuchschreibens sowie ein umfangreiches Register ergänzen die Edition.
Inhaltsverzeichnis (pdf)
Pressestimmen
"Entrechtung, Ausgrenzung, Bedrohung - all dies hat die gläubige Katholikin und engagierte Sozialistin in ihrem Tagebuch festgehalten."hws, "Eine 'Mischehe'" (PDF), in: "Die Presse", 21.6.2010 (5*)
Radio Ö1, 3.9.2010, Sendung: "Dimensionen - Die Welt der Wissenschaft" Bericht über "Die Tagebücher der Therese Lindenberg. 1938-1946" mit Christa Hämmerle, Gestaltung: Marlene Nowotny Sendung zum Nachhören (MP3)
"Der Vergleich beider Texte bringt nicht nur spannende Einblicke in das Leben einer Frau, die mit einem Juden verheiratet war und die Verfolgung der Nationalsozialisten gemeinsam mit ihm durchstand, sondern zeigt auch, welch großen Einfluss die jeweilige Schreibsituation auf die Tagebücher und das nachträglich verfasste Manuskript hatte. [...] Insofern war es die richtige Entscheidung, den späteren Text zuerst zu drucken, er erleichtert das Verständnis der Tagebücher und hilft dem Leser, die Lücken mit Inhalt zu füllen: Dank der glänzenden Einführung und der vorangestellten 'Apokalyptischen Jahre' erschließt sich die ungeheure Dramatik der Geschichte, die Therese Lindenberg in ihren Tagebüchern notiert hat."Andrea Löw in: "Wissenschaftlicher Literaturanzeiger", 10.10.2010
"Ähnlich wie die beeindruckenden Tagebücher Viktor Klemperers dokumentieren auch Therese Lindenbergs Aufzeichnungen den Alltag im Nationalsozialismus - allerdings aus der Perspektive einer Frau, die aufgrund ihrer Ehe mit einem jüdischen Mann, von dem sie sich zu scheiden weigerte, die menschenverachtende Politik der Nationalsozialisten hautnah miterlebte. [...] Die Tagebücher sind ein wertvolles und darüber hinaus spannend zu lesendes Zeitdokument einer Frau, die sich durch ihre Positionierung als 'arische' Frau eines jüdischen Mannes verschiedene Aspekte der nationalsozialistischen Gesellschaft kennenlernt. Ihre Aufzeichnungen geben Einblick in die oft krass divergierenden 'Normalitäten' des NS-Alltags und sind dadurch Pflichtlektüre für alle, die mehr über diese Zeit erfahren wollen." Maria Fritsche (England): "Status: 'Nichtprivilegierte Mischehe' - Beeindruckende Einblicke in den NS-Alltag", in: Amazon-Rezension (5*), 26.9.2010
"Die vorliegende Edition ist eine beispielhaft gelungene Präsentation einer einzigartigen Quelle - d.h. eines nach 30 Jahren neu bearbeiteten Textes eines Tagebuchs -, bestens eingebettet in den lebensgeschichtlichen, historischen und wissenschaftlichen Kontext." Regina Löneke,"Tagebuch schreiben unter NS-Verfolgung. Vom Trost spenden zur Zeugenschaft" (PDF), in: Ariadne. Forum für Frauen- und Geschlechtergeschichte, November 2010
"In vielen Editionen von Selbstzeugnissen bleiben die notwendigen editorischen Bearbeitungen der Herausgeber/innen überwiegend unsichtbar. [...] Das prozesshafte Schreiben und von den Diarist/innen eingefügte Korrekturen werden dadurch unsichtbar. Auch in diesem Punkt hebt sich die editorische Arbeit der "apokalyptischen Jahre" von anderen ab. Li Gerhalter, die im Umgang mit originalen Selbstzeugnissen erfahrene Betreuerin der 'Sammlung Frauennachlässe', hat insbesondere die Edition der zeitgenössischen Tagebücher bearbeitet, die denselben Zeitraum umfasst, wie die spätere Bearbeitung der Therese Lindenberg."Sabine Grenz (Berlin), Rezension, in: H-Soz-u-Kult, 16.12.2010
"Die Wiener Historikerinnen sehen die origiale Handschriftliche Fassung der Tagebücher in der Funktion des Trost-Suchens und der Verarbeitung der Gefühle, des Schreibens als Überlebensstrategie. Die zweite, mit Maschine geschriebene Fassung, interpretierten die Wissenschaftlerinnen als ausführliches Bezeugen alles dessen, was die "Mischehen-Angehörigen" erdulden mussten."Susanne Wünsche-Reitter, Die Tagebücher der Therese Lindenberg (PDF), in: Freilassinger Anzeiger/ Reichenheller Tagblatt, 17.12.2010
"Die Tagebücher der Therese Lindenberg stehen in einer Reihe mit berühmten Tagebüchern jüdischer Autoren aus dieser dunklen Zeit, denen des Dresdner Universitätsprofessors Viktor Klemperer und der 14-jährigen Schülerin Anne Frank. Therese Lindenberg als Nichtjüdin dokumentiert aus einer anderen Perspektive, dass sie um ihren Mann und um sich bangen musste. ... Die Tagebücher der Therese Lindenberg sind das einzigartige Zeugnis einer Frau, die sich in den Schreckensjahren des nationalsozialistischen Regimes dem Druck zur Scheidung nicht beugte und so ihrem Ehemann das Leben rettete."
Susanne Wünsche-Reitter, Einzigartiges Zeugnis aus den Schreckensjahren, in: Südostbayerische.de, 28.12.2010
"1995 hatte die "Sammlung Frauennachlässe" an der Universität Wien Glück: Die Enkelin von Therese Lindenberg (1892-1980) übergab sämtliche Tagebücher ihrer Großmutter, die viele Jahrzehnte, 1910 bis 1980, umfassen. Nun liegt ein Teil davon vor, hervorragend eingeleitet und kontextualisiert von Christa Hämmerle und Li Gerhalter - nämlich die Jahre 1938 bis 1946."
Sylvia Köchl, Rezension, in: an.schläge April 2011
"Bislang nicht selbstverständlich für die Edition von Tagebüchern und daher hier unbedingt positiv zu erwähnen ist die große Sorgfalt, mit der die materielle Beschaffenheit der Tagebücher erläutert wird. [...] Besonders das Personen- und Ortsregister, das der Publikation auch als CD-ROM beiliegt, erweist sich für die Leserin als große Hilfe, da sich Therese Lindenbergs Tagebücher durch eine Vielzahl von genannten Personen, aber auch Orten, die sich bei ihren zahlreichen Wegen durch Wien und seine Umgebung aufsucht, auszeichnet."
Dominique Schröder, Rezension, in: L'Homme. Z.F.G., 23, 1 (2012), 168-171.
"Die gründliche und detaillierte Einführung einer der beiden Herausgeberinnen, Christa Hämmerle, ... lässt erkennen, dass die Tagebuchautorin aus armen Verhältnissen stammte ... Abschließend ist die gute Ausstattung des Bandes hervorzuheben: Die Tagebuchaufzeichnungen werden durch drei Register erschlossen ... Eine Reihe von Fotos dient der Illustration. Den beiden Herausgeberinnen und ihren Mitarbeitern ist für diese sorgfältige Edition zu danken."
Hans-Michael Empell, Rezension Apokalyptische Jahre, in: ZRG GA (Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung) 129 (2012) 72